Winterwetter zu Frühlingsanfang und der Wind kommt aus dem Osten. Die Kälte auch. Wie in (fast) jedem Jahr. Nur in diesem Jahr ist das anders, denn da stilisieren unsere Medien das sensationsheischend zur „Russenpeitsche“ hoch. Denn ganz egal, was der Russe auch macht oder was aus seiner Richtung kommt: Er ist Schuld! Sogar das weiße Pulver, mit dem wir uns rumärgern und es wegschaufeln müssen und das für Verwehungen sorgt, stammt garantiert aus Russland! Da hat ganz bestimmt der Putin dran gedreht! Bevor ich fortfahre ein kleiner Einschub zur Person von Wladimir Putin: Ich halte ihn für einen lupenreinen Diktator. Aber für einen, dem sein Volk am Herzen liegt, denn immerhin hat er es bspw. fertig gebracht, zwischen 1999 und 2013 die Rente von 499 Rubel auf 10.000 Rubel anzuheben, das Jahresgehalt von 1.522 Rubel auf 29.940 Rubel zu steigern usw. Mit anderen Worten: Auch wenn die Sache mit der Meinungsfreiheit vielleicht nicht so wirklich sein Ding ist, hat er trotz Sanktionen und niedrigem Ölpreis zunächst das Leben der Menschen in Russland besser gemacht und seit 2013 diesen Standard auch gehalten – von Merkel & Co. kann man das, auf Deutschland bezogen, übrigens nicht gerade behaupten. Wen wundert’s dann, dass er wiedergewählt worden ist?
Während einer im Westen loströtet „Make America Great Again!“ hat einer im Osten „Make Russia Great Again!“ schon längst umgesetzt und dafür gebührt ihm bei aller durchaus dringend notwendigen Kritik auch Respekt. Das weckt Begehrlichkeiten. Russland hat vieles, was der westliche Raubtierkapitalismus als Treibstoff dringend benötigt – Bodenschätze, Gas, Öl, Technologie … Und die Russen geben das nicht freiwillig her! So eine Frechheit aber auch! Krim und Ukraine waren m. E. Versuche westlicher Industriemagnaten (politisch wie wirtschaftlich), ungerechtfertigterweise einen Fuß in Putin’s Vorgarten zu bekommen. Das hat nicht funktioniert, jedenfalls nicht annähernd so, wie man es sich vielleicht vorgestellt hatte. Seither läuft hier eine Propagandamaschine wie zu Adolf’s Zeiten und wie später im Kalten Krieg. Die erste der beiden Propagandamaschinen kenne ich nur aus Augenzeugenberichten. Die Zweite habe ich in meiner Jugend selbst miterlebt. Und inzwischen ist wieder Russen-Bashing angesagt, aber in dermaßen abartiger Form, dass ich das nur noch widerlich und hirnerweichend finde. Ist aber in dieser Form nur logisch, denn bei bewusst verblödetem Stimmvieh kann man noch viel mehr auf die Kacke hauen!
Zweimal haben unsere Medien bisher über IT-Attacken auf den Deutschen Bundestag berichtet und – ganz klar! – jedesmal kamen diese Attacken aus Russland; da ist man sich ganz sicher! Wenn irgendeine über jeden Zweifel erhabene „Koryphäe“ aus Regierungskreisen (bzw. von Regierungsgreisen) mit Elan auf „wiederwahlgarantiert.ru“ klickt, dann müssen da ja Russen dahinter stecken! Ich empfehle an dieser Stelle mal allen, die IT-mäßig etwas unbeleckter sind, sich den sehr guten deutschen Spielfilm „Who Am I – Kein System ist sicher“ zu Gemüte zu führen – die Russen haben die billigsten Server der Welt und die kontrollieren deren Inhalte auch nicht weiter. Deswegen werden die von der ganzen Welt frequentiert; das ist ein dicker, fetter Wirtschaftsfaktor! Und wenn was passiert … – führt die Spur nach Russland! Ja, nee, is‘ klar – morgen auch noch! Die Russen für einen aus Russland kommenden IT-Angriff verantwortlich machen zu wollen ist ungefähr so sinnvoll, wie VW zu verklagen, weil ein Golffahrer einen Fußgänger plattgefahren hat. Bloß scheint das kaum noch einer zu raffen und unsere Propaganda-Medien schüren Falschmeldungen; Hauptsache die Russen kriegen was auf die Mütze! Ähem, Leute, merkt ihr nicht, dass das ganz schnell in Kriegshetze ausarten kann? Macht ihr euch eigentlich niemals klar, dass zumindest hier in Europa dann das Schlahtfeld wäre und keiner von uns einen WK III überleben würde?
Jetzt also die nächste Stufe der Eskalation, nämlich die Geschichte mit Skripal und Nowitschok in England. Skripal ist ein Ex-Agent der Russen und Nowitschok eine russische Entwicklung – behauptet zumindest der Ex-Russe Mirsajanow in „Mirzayanov, Vil S.: Dismantling the Soviet/Russian Chemical Weapons Complex: An Insider’s View. In Smithson, Amy E., Vil S. Mirzayanov, Roland Lajoie und Michael Krepon: Chemical Weapons Disarmament in Russia. Problems and Prospects. Stimson Report Nr. 17, Oktober 1995, S. 21“ und mit seinem Buch „State Secrets: An Insider’s Chronicle of the Russian Chemical Weapons Program“ liefert er auch gleich noch für alle chemisch vorgebildeten Menschen eine Quasi-Bastelanleitung von dem Zeug. Das ist folglich frei verfügbares Wissen. Aber die Russen sind Schuld, ganz ohne jeden Zweifel! Als 1995 der von der Omu-Shinrikyo-Sekte verübte Giftgasanschlag in der U-Bahn von Tokio mit dem Nervengas Sarin erfolgte, da war ja auch Deutschland Schuld, weil Sarin eine deutsche Entwicklung ist, nicht wahr? Mann, Leute, denkt doch zur Abwechslung mal nach und lasst euch nicht immer nur aus Bequemlichkeit eure Meinung machen!
Rollen wir das mit dem Anschlag in Salisbury mal von Anfang an auf. Mirsajanow emigrierte vor 27 Jahren in den Westen und Nowitschkok war ihm geläufig. Er veröffentlichte darüber. Skripal war ein Doppelagent, der 2004 in ein russisches Militärlager wanderte, nachdem seine Doppelagententätigkeit aufgedeckt worden war. In besagtem Lager verbrachte Skripal sechs Jahre – massenhaft Zeit genug, um sich des Ex-Spions unter Ausschluss der Öffentlichkeit ganz elegant zu entledigen. Die Russen taten das nicht. Im Jahr 2010 übersiedelte er in den Westen, weil er freigekauft worden war. Jetzt, 8 Jahre später, soll er seitens der Russen vergiftet worden sein. Irgendwo fehlt mir da die Logik, denn weder konnte er auf dem neuesten Stand gewesen sein noch erklärt das, warum die Russen ihn nicht vorher klammheimlich beseitigt haben. Jetzt also in diesem Jahr der Anschlag in Salisbury, nur einen Steinwurf von Porton Down entfernt – von der Einrichtung in England, in der an chemischen und biologischen Kampfstoffen geforscht wird (sofern es sich wirklich nur um Forschung handeln sollte, weil man mitunter Chemikalien ja auch im Praxistest auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen hat). Sicherlich ist das alles aber wirklich nur reiner Zufall.
Rein zufällig handelt es sich auch um einen ursprünglich in Russland entwickelten Kampfstoff und die Opfer waren Russen. Ganz klar: Die Spur führt nach Russland! Fehlt nur noch, dass Putins Ausweis am Tatort gefunden wird: Direkte Rückverfolgung nach Russland, damit auch garantiert internationale Verwicklungen ausgelöst werden! Jeder normale Mensch, der einen Anschlag verüben wollte, hätte nie im Leben so deutliche Spuren hinterlassen – es sei denn, er hätte eine falsche Spur legen wollen. Übrigens fehlt es bislang immer noch an jeglichen Beweisen für ruissische Beteiligung, denn diejenigen, die den Russen den Schwarzen Peter zuschieben wollen, stützen sich auf reine Behauptungen. Aber das reicht ja heute schon zum Verbreiten von Kriegshetze. An der Stelle fallen mir unwillkürlich False-Flag-Operationen, fällt mir Gladio ein. Wäre eine False-Flag-Operation nicht ein idealer Aufmacher für weitere Sanktionen bzw. Operationen gegen Russland? Damit könnte man nämlich ganz elegant Meinung machen! Man würde damit Angst erzeugen und wer Angst hat, der ruft über kurz oder lang nach einer starken Hand. Und wenn die starke Hand, die ihm hilfreich gereicht wird, genau von demjenigen stammt, der zuvor erst die Angst erzeugt hat?
Fassen wir mal zusammen: Es ist weder bewiesen noch auszuschließen, dass Russland hinter dem Anschlag von England steckt. Ebensowenig ist weder bewiesen noch auszuschließen, dass Russland hinter diversen Cyberattacken steckt. Aber Russland ist im Verlauf der Jahre unter Putin, der nun nicht gerade als Demokrat bezeichnet werden kann, zu einem ernsthaften Wirtschaftsfaktor geworden. Einer, der dem westlichen Raubtierkapitalismus ein Dorn im Auge ist, weil er sich nicht kampflos übernehmen lässt, so wie man es aus Dritte-Welt-Ländern gewohnt ist. Deswegen muss Russland diskreditiert werden, und zwar mit allen Mitteln. Unsere westliche Propagandamaschine ist eines dieser Mittel. Sie deutet unbewiesene Behauptungen zu Tatsachen um und macht damit Meinung. Solche Sachen stinken, und zwar zum Himmel! Übernehmt nicht die Meinung der Einflüsterer, sondern bildet euch selbst eine! Die Möglichkeiten dazu habt ihr – noch!
da ich den beitrag auf deinem alten blog gerade kommentiert habe, kopier ich dir meine meinung einfach hier rein.
wie kannst du es wagen, putin einen diktator zu nennen wo doch der ex kanzler g. schröder sagte, putin sei ein lupenreiner demokrat?
davon abgesehen hast du in deinen ausführungen zum großteil recht, putin hat die russischen lebensverhältnisse verbessert. vielleicht so wie unsere bundesregierung dies macht.
die, die haben bekommen mehr, die, die nix haben bekommen mehr nix.
ich habe zu putin ein merkwürdiges verhältnis.
einerseits tut er dem land gut doch andererseits verstößt er gegen menschenrechte wie auch gegen das recht auf meinungs- und pressefreiheit.
aber wer versteht im westen schon die russen?
nur derjenige, der nach einem job in der deutschen regierung in russland einen hochdotierten anschlußjob findet.
trotzdem bin ich gegen jede form der sanktion gegen russland.
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„Aber wer versteht im Westen schon die Russen?“
Na ja, vielleicht derjenige, in dessen Ahnenreihe es welche gab. In meiner gab’s welche. Das Schema ist eigentlich ganz simpel: Lasst mich zufrieden und dann lasse ich euch auch zufrieden. Leben und leben lassen …
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okay, das ist mir neu.
leben und leben lassen! das sollte ein dogma der weltpolitik werden, aber ich träume wohl nur davon.
leider hat russland als udssr wie das ehemalige deutsche reich eine sehr unschöne vergangenheit, weswegen der russe wohl auf alle ewigkeit der buhmann und teufel in der welt der politik sein wird.
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Wenn’s nicht der Russe ist, dann der Pole, Chinese, Albaner, Syrer, Türke, Mexikaner usw. Es ist nicht entscheidend, wo jemand herkommt. Es ist entscheidend, zu welcher menschlichen Rasse der Betreffende zählt. Und Rassen gibt’s nur zwei, nämlich Menschen und Arschlöcher. Letztere sind vielleicht in der Minderheit, aber strategisch so verteilt, dass einem jeden Tag mindestens eines über den Weg läuft. Was die Russen unter meinen Vorfahren betrifft, da betrachte ich mich als Genshake. Da waren über rund 300 Jahre nämlich auch noch Polen, Dänen, Schotten, Franzosen, Holländer, Norweger (hab‘ ich alle?) und erst ganz zuletzt Deutsche mit dabei. Vielleicht denkt man auch deswegen etwas anders. Ich habe einige Länder bereist (müssen so um die 20 gewesen sein, also nicht annähernd soviele wie meine Älteste) und viele zwar fremde, aber einfache Menschen kennengelernt. Egal welche Religion und egal welche Hautfarbe – eigentlich wollen alle immer nur das Gleiche: Was zum Essen auf dem Tisch, ein Dach über dem Kopf, ihr Auskommen und ihre Ruhe und in Frieden ihre Kinder großziehen. Hält man sich an das alte Sprichwort „Wie man in den Wald hinein ruft so schallt es heraus“ dann lernt man ganz schnell andere Meinungen zu tolerieren und vielleicht auch zu akzeptieren. Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft zahlen sich aus. Es gibt aber noch ein anderes altes Sprichwort: „Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.“ Das allerdings scheint gerade zur Maxime der Weltpolitik geworden zu sein.
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leider ist das wohl so bezogen auf deinen letzten satz.
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