Wenn man lange hinter dem Steuer sitzt, dann gehen einem so Gedanken durch den Kopf. Mir auch. Gestern auch wieder. Da musste ich an das „Bedingungslose Grund-Einkommen“, kurz BGE, denken. Das haben wir nicht. Und keine einzige unserer so genannten „Volksparteien“ hält das auch nur ansatzweise für diskutabel. Warum eigentlich nicht? Grundsätzlich finanzierbar wäre es wohl, wenn man sich an Großkonzerne und Superreiche heran traute. Doch das sind im hemmungslosen Raubtierkapitalismus heilige Kühe und daher: Bloß kein BGE!
Da wundert es auch nicht, wenn BGE-Experimente, die vielversprechend beginnen, urplötzlich gestoppt werden – und zwar BEVOR aussagekräftige Ergebisse möglich sind. Andere Versuche zeigen, dass ein BGE durchaus Sinn machen kann. Aber auch die Resultate solcher Versuche verschwinden still und leise in der Versenkung. Warum eigentlich? Wenn ein BGE grundsätzlich finanzierbar sein kann, dann kann das dazu erforderliche Geld auch nicht der Grund für eine BGE-Ablehnung sein. Es muss folglich noch einen ganz anderen Grund dafür geben. Nur welchen?
Stell‘ dir vor, du arbeitest in einem Minijob in irgendeiner Verpackungsbude. Der eine Kleber stinkt nach Kotze und der andere nach Katzenscheiße. Verklebt wird Pappe mit gepressten Holzfasern, bestehend aus krebserzeugendem Buchen- und Eichenstaub. Absauganlagen gibt’s nicht. Die gesundheitsschädliche Luft steht in der Hütte und der allgegenwärtige Staub beißt in den Augen. Die Arbeitsverträge werden befristet wochen- oder monatsweise ausgestellt. Immer ein bis drei Tage Abstand dazwischen, damit es sich nicht um Verlängerungen handelt. Der Lohn ist der Mindestlohn, von dem der Arbeitgeber aber noch die Kosten für persönliche Schutzausrüstung (Sicherheitsschuhe, Handschuhe, ggf. Schutzbrille) zu einem horrenden Preis abzieht. Wer einen gelben Schein bringt kann gleich zuhause bleiben und ist draußen, weil das Jobcenter ja für permanenten Nachschub sorgt. Wessen Gesundheit endgültig ruiniert ist, der fliegt sowieso raus. Und Urlaub gibt’s aufgrund der kurzen Fristverträge ohnehin nicht.
Stell‘ dir vor, du arbeitest als Frau in einem Betrieb, in dem ein Fachkräftemangel herrscht. Du bist aufgrund des Fachkräftemangels eingestellt worden. Befristet für ein Jahr! Nach einem Jahr wird verlängert, wobei dir zwischenzeitlich vom Boss die Möglichkeit zum beruflichen Aufstieg verwehrt worden ist. Seine Begründung lautet: Der Job – den du gut und gerne machst – sei nichts für Frauen. Es kommt zur Verlängerung, zum zweiten auf ein Jahr befristeten Vertrag und wieder werden dir Weiterbildungen zwecks Aufstieg verwehrt. Wieder hast du deinen Job gut und gerne gemacht, ja, dich darüber hinaus auch noch zusätzlich engagiert. Eine dritte Verlängerung – die jetzt in einen unbefristeten Vertrag münden müsste – gibt es nicht. Stattdessen bekommst du die Kündigung mit irgendeiner an den Haaren herbeigezogenen Begründung. Du bist kein Einzelfall. Auch andere Frauen sind genauso betroffen. Parallel dazu sucht dein bisheriger Chef schon wieder händeringend nach den ach-so-seltenen Fachkräften.
Stell‘ dir vor, du hast einen regulären Full-Time-Job. Die Bezahlung ist nicht gerade gut – d. h. unter Tarif – aber zum Leben reicht’s gerade so eben. Deine Arbeitszeit beträgt 38 Stunden wöchentlich. Dein Boss erhöht die Arbeitszeit selbstherrlich auf 45 Stunden wöchentlich ohne jeden Ausgleich. Da du deinen Job behalten willst machst du gute Miene zum bösen Spiel. Tatsächlich aber werden es real dann irgendwann ständig 48 bis 50 Stunden wöchentlich und du schreibst dir deine Überstunden auf. Als du deinen Chef auf die Überstunden ansprichst, da kommt er mit einer Kündigung und stellt den Nächsten ein. Gleiches Spielchen wie zuvor … Und noch einer und noch einer und …
Drei Beispiele: Zwei davon habe ich selbst erlebt. Eins entstammt meinem Bekanntenkreis. Es handelt sich NICHT um Einzelfälle – sondern vielmehr um Fälle, die zeigen, wie Arbeitsverhältnisse in einem Land mit neoliberaler Pseudoreligion tatsächlich gehandhabt werden. Ich könnte sogar noch etliche weitere Beispiele anführen, aber die würden auch nichts am bisherigen Gesamtbild ändern. Und jetzt stell‘ dir mal vor, der abgezockte Arbeitnehmer könnte auf ein BGE zurückgreifen. Er müsste sich dann nicht solchen Ausbeutungsmethoden ausliefern. Stattdessen könnte er mit dem Arbeitgeber auf Augenhöhe verhandeln. Verstehst du jetzt, warum es heißt: „Bloß kein BGE!“? Es geht nämlich gar nicht ums Geld. Es geht um das Zementieren einer Zweiklassengesellschaft, um selbsternannte „Eliten“ und um „untere Chargen“ (um im Sprachgebrauch besagter „Eliten“ zu bleiben). Anders ausgedrückt: Es geht um nichts anderes als um Herrenmenschendenken! Man könnte auch sagen: Es geht um eine Art von Kolonialismus im eigenen Land … 😦
gäbe es endlich das bge könnte ich mich mehr künstlerisch ausleben, aber mit meiner rente ist das nicht möglich, leider.
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Wer das BGE will kann es schon jetzt machen.
Schmeisst euer Einkommen mit euren Nachbarn und Freunden zusammen und teilt es dann durch die Anzahl der Köpfe.
Viel Spass dabei.
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Ich glaube, du hast das Prinzip nicht verstanden. Lies daher bitte nochmal oben nach, denn es geht hier eben NICHT um das Umverteilen der paar Kröten von denjenigen, die sowieso schon zuwenig haben.
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Alles eine Frage des Buchungssatzes mit dem Geld erzeugt wird. Würden alle eine Gemeinschaften grundsätzlich Geld mit einer Buchung: »Kasse/Konto an Eigenkapital« selbst erzeugen, würden die meisten Probleme der Menschheit mittelfristig behoben sein können. Das wäre frei von Schulden und Zinsen. Zusätzlich brauchte man keine Sozialabgaben und Steuern auf selbst erbrachte menschliche Leistungen. Gleichzeitig würde jede Gemeinschaft über Geld verfügen, um alles zu finanzieren, was ihr wichtig ist. Zur Not auch ein BGE (wobei ich grundsätzlich eine bedingungslose Grundversorgung besser fände).
Wahrscheinlich fehlen entsprechende Kenntnisse und der politische Wille, wirklich etwas für die 99% zu ändern.
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Noch ein Gedanke zu den drei Beispielen im obigen Text:
Lohn ist ein Preis für die Selbstvermietung eines Menschen an einen anderen Menschen oder ein Unternehmen, den Lohnzahler. Das juristische Konzept dafür (locatio conductio operarum) entsprang nicht der Epoche des Kapitalismus, sondern der römischen Sklaverei. Es beruht auf der Idee der Sklavenvermietung (locatio conductio rei). Kennzeichnend für die Zeit des alten Roms ist, dass es dort ein Sachen- und Schuldrecht gab, aber kein Menschenrecht. Daher waren dort solche Verträge möglich. Leider steht das sogenannte »Arbeitsrecht« genau in dieser Tradition. Es ist, wenigstens in westlichen Nationen, aufgehübscht durch Urlaubsansprüche, Bezahlungen im Krankheitsfall, Begrenzung der Arbeitszeit … Dies ändert nichts daran, dass es sich um die Selbstvermietung eines Menschen handelt. Ein Arbeitsvertrag ist ein Mietvertrag. Moderne Teilzeitsklaverei. Man kann sich seinen Herrn zwar aussuchen, ist aber gezwungen sich stundenweise zu prostituieren und auf sein Freiheitsrecht zu verzichten, damit man ein Geldeinkommen zum Überleben erlangt. Dies zeigt, wie wenig sich die menschliche Gesellschaft über rund 2000 Jahre entwickelt hat.
Wer gesellschaftliche Veränderungen im Sinn hat, sollte diesen Umstand nicht aus den Augen verlieren. Freiheit ist die Basis für echte Veränderung. Ein Arbeitsvertrag fällt deutlich in eine andere Kategorie. Von daher kann ein BGE nur eine Übergangslösung darstellen. Es ist also notwendig von Grund auf neu zu denken.
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