Nach dreijährigen, hartnäckigen Versuchen ist es mir endlich gelungen, Carolina Reaper „Rachenreibe“ in die Finger zu bekommen – also höchst seltenes Gut! Das wird dann kommendes Jahr mit meinen Aliens gekreuzt werden. Die Rachenreibe wird – und da bin ich mir ziemlich sicher – der nächste „King Of Chilis“ werden, also der nächste Weltmeister. Offiziell ist sie das zwar noch nicht, aber es dürfte sich um eine reine Zeitfrage handeln. Die Rachenreibe degradiert das Pfefferspray der Polizei zum harmosen Gurgelmittel. Vier Rachenreiben habe ich als „Probierportion“ bekommen (offiziell gehandelt wird das Zeug sonst nicht) und daran vier Obduktionen vorgenommen. Beginnen wir mit der äußeren Besichtigung. Die Früchte sahen gut gereift und noch nicht angefault aus. Der Drucktest bestätigte, dass sie vollreif waren und dringend der umgehenden Verarbeitung bedurften.

Der Ernährungszustand erwies sich als perfekt und das Hautkolorit als tiefrot-schrundig-verschrumpelt-megawarzig: Ein erster, unübersehrbarer Hinweis darauf, dass man mit dem Zeug wohl doch besser sehr, sehr vorsichtig umgehen sollte. Das Gewicht der einzelnen Frucht wurde als unwesentlich betrachtet und nicht ermittelt. Die Größe entsprach etwa der von großen Strauchtomaten und übertraf damit alle Erwartungen. Alle vier Leichname wurden mit professionellem T-Schnitt geöffnet (d. h. möglichst dünnes Abschneiden des Endes mit dem Stiel und anschließendes Halbieren) und auch die innere Besichtigung aller vier Leichname ergab völlige Übereinstimmung.

Die Leichenöffnung zeigte, dass die tiefrote, ledrige Haut gerade mal papierdünn ist. Das Fruchtfleisch fehlte weitgehend. An dessen Stelle trat eine absolut durchgängige, allumfassende und bis zu zwei Millimetern dicke, orangefarbene Schicht von schleimig-klebrigem Material, auch als reine Capsaisindrüsen bezeichnet. Alle Organe des Innenraumes waren auf unmöglichste Weise mit dieser breiigen Masse verbunden, so dass sich quasi Taschen gebildet hatten. Sowohl beim Aufschneiden der Leichname wie auch insbesondere der Taschen traten reichlich ätzende, fruchtig-aromatisch-tropische Dämpfe zutage, welche markant zu Husten und Niesanfällen reizten und welche die Schutzbrille beschlagen ließen: Einfach atemberaubend! Parallel dazu wurden die PE-Schutzhandschuhe durchgeätzt.

Nach dem Wechsel der Handschuhe, der mehrfach-heftigen Explosion der Nase, dem fürchterlichen Brennen der Augen und dem verzweifelten Luftschnappen außerhalb des Raumes konnte die kurzzeitig unterbrochene Obduktion endlich fortgesetzt werden. Innerhalb einer jeden Tasche fanden sich zirka zehn gut ausgereifte Kerne (GEIL: SAATGUT IN RAUEN MENGEN!), welche vorsichtig extrahiert worden sind und welche jetzt getrocknet werden. Nach erneutem Handschuhwechsel (sie waren schon wieder durchgefressen worden) erfolgte die weitere, wissenschaftliche Bearbeitung der Organe – d. h. das Zerkleinern zum Zwecke des portionierten Einfrierens. Diese Phase der Obduktion gestaltete sich als ausgesprochen schwierig, da das breiige Material an Messer und Handschuhen kleben blieb wie zäher Honig.

Schließlich erfolgte das Vermischen der Leichenreste mit den bereits zerstückelten und in der Tiefkühlung aufbewahrten Aliens. Deren Blut hatte schon wieder einen Gefrierbeutel durchgefressen und das machte ein Umfüllen notwendig. Von der Reaktion meiner Frau darauf klingeln mir jetzt noch die Ohren. Aber ich dachte an mein großes Vorbild Attila den Hunnenkönig (der soll zwölf Frauen gehabt haben – was da wohl morgens vor der Badezimmertür los gewesen sein muss!) und behielt die Nerven (wobei – der ist von einer gewissen Gudrun letztlich einen Kopf kürzer gemacht worden und meine bessere Hälfte hört auch auf diesen Namen …). Nach dem gründlichen Dekontaminieren der im Rahmen von Obduktion und Umfüllen unbewohnbar gemachten Räumlichkeiten kehrte dann aber letztlich doch wieder der Alltag ein. Blieb nur noch ein Problem: Ich musste dringend pinkeln und hatte angesichts der durchgeätzten Handschuhe echt Angst davor. Die nachfolgende Handhygiene – VORHER! – wurde noch nie so gründlich durchgeführt wie diesesmal! 😉