Heute mal ein Beitrag in eigener Sache, nämlich meinen Wohnort Lauenau betreffend. Ich werde mich dabei bemühen, das möglichst neutral zu schildern, obgleich es mir sehr, sehr schwer fällt. Meine Frau wurde hier geboren. Ich bin 1993 zugezogen, mithin also – da von uns hier noch keine drei Generationen auf dem Friedhof liegen – ein so genannter „Neubürger“ (wer hier drei Generationen auf dem Friedhof liegen hat, der gilt immerhin schon als „Zugereister“ und echter Einwohner ist man erst nach ein paar Jahrhunderten). Von Anfang 1993 bis heute: Das sind mittlerweile fast 27 Jahre, die ich hier lebe. Eine meiner Töchter ist hier geboren worden. Beide Töchter sind hier aufgewachsen. Wir haben hier vor einem Vierteljahrhundert gebaut. Als ich nach Lauenau kam, da verfügte der Ort noch über eine wunderschöne „grüne Lunge“, nämlich den so genannten Volkspark.
Bei dem handelt es sich um eine historische Anlage, gestaltet 1875 von Oberförster Schulze (nach dem auch der Schulzeweg im Deister benannt worden ist). Der Volkspark umfasste u. a. ein paar kleinere Süntelbuchen zum Carl-Parisius-Weg hin gelegen, große Kastanien- und Walnuss-Bäume sowie einen Maronenbaum, der alle paar Jahre mal soviel trug, dass man von den Früchten eine Mahlzeit für die ganze Familie sammeln konnte (was wir auch gemacht haben). Dazu kamen noch etliche Haselnuss-Sträucher. Es war völlig normal und fast schon Tradition, mit den Kindern im Herbst in den Volkspark zu gehen, sie sich dort einerseits austoben zu lassen und andererseits Nüsse, Maronen und Kastanien zu sammeln. Besondere Aufmerksamkeit wurde immer der großen Süntelbuche – Naturdenkmal ND SHG 00005 – gezollt, denn den ältesten und größten Baum der Welt dieser vom Aussterben bedrohten Art findet man nur hier: Wirklich beeindruckend! Zahllose Singvögel und vor allem die unablässig singenden Nachtigallen perfektionierten die grüne Oase des Ortes: Für Kinder perfekt, um Naturerfahrungen zu sammeln! Andererseits gebe ich zu, die Nachtigallen mitunter verflucht zu haben, wenn die zu nachtschlafender Zeit direkt auf der Schlafzimmer-Fensterbank ohrenbetäubend loslegten.
Der „alte“ Volkspark im Jahr 2010: Abgeschiedenheit und Ruhe zum Relaxen.
Bis zum Februar 2011. Plötzlich war da das Geräusch von Motorsägen zu vernehmen. Vom Balkon aus sah ich, wie im Volkspark Baum um Baum fiel. Eine Woche darauf existierte der Volkspark in seiner althergebrachten Form nicht mehr. Er war durch so eine Art von Truppenübungsplatz ersetzt worden: Vorbei, aus und Ende mit der grünen Lunge des Ortes! Ein damaliger Samtgemeindedirektor hatte selbstherrlich unabwendbare Fakten geschaffen und eine (Ur-) Einwohnerin, deren Name hier nichts zur Sache tut, kommentierte das mir gegenüber ganz unverblümt mit den Worten: „Der hält sich wohl für einen zweiten Hitler!“ Andere sprachen von „Amoklauf“. Die Entrüstung war verdammt groß!
So groß, dass man sich offensichtlich von Seiten der Kommunalpolitik genötigt sah, den Kahlschlag als so genannte „Pflegemaßnahme“ darzustellen, weil die Bäume angeblich alle Kernfäule gehabt haben sollen. Es hätte dazu sogar ein (Gefälligkeits?-) Gutachten gegeben. Dazu muss ich sagen: Ich habe früher über Jahrzehnte hinweg im Wald Holz gemacht. Ich weiß wie Kernfäule aussieht! Das, was von den gefällten Bäumen übrig geblieben war, zeigte nicht mal entfernt ansatzweise Anzeichen davon. Das muss wohl auch einigen anderen Einwohnern aufgefallen sein, denn plötzlich titelten die regionalen Käseblätter im Anschluss mit Berichten wie „Kahlschlag im Volkspark soll Vagabunden fernhalten“ und „Der Park soll nicht länger Tummelplatz für pöbelnde und trinkende Gestalten sein“. Dazu kann ich nur anmerken: Ja, dort trafen sich hin und wieder mal Arbeitslose. Ja, dort wurde auch das eine oder andere Bier verkonsumiert. Aber pöbelnde und trinkende Vagabunden sind mir dort von 1993 bis 2011 niemals begegnet – man kann über soviel bewusst gemachte Demagogie eigentlich nur noch mit dem Kopf schütteln!
An dieser Stelle ist vielleicht ein kleiner Einschub noch ganz interessant: Just zur Zeit des Kahlschlages wurde das Seniorenwohnheim an Schloss errichtet. Diejenigen, die dort Wohnungen kauften, konnten die gewinnbringend vermieten (wem gehören wohl solche Wohnungen?). Besagte Wohnungen waren umso begehrter, je besser die Aussicht war. Nach dem Kahlschlag im Volkspark profitierten einige Wohnungsbesitzer davon. Nun musste noch ein Parkplatz für besagtes Seniorenwohnheim her. Auf der dafür vorgesehenen Fläche befand sich seinerzeit aber noch der Hof der Familie Reinecke. Die musste weg. Der Hof auch. Wie gerüchteweise zu erfahren war – ich meine wir waren beinahe Nachbarn – soll dabei die Kommunalpolitik gewaltig ihre Hand im Spiel gehabt haben. Mehr will ich dazu nicht sagen – aber man denkt sich eben so seinen Teil.
Der „alte“ Volkspark im Jahr 2009: Natur pur und Rückzugsgebiet für die Vogelwelt an den Rändern.
Anschließend wurde das, was vom Volkspark noch übrig geblieben war, im Jahr 2012 „umgestaltet“. Viel war nicht übrig gelassen worden – wenige Bäume und das Naturdenkmal Süntelbuche. Der Rest wurde in eine riesige und fortan primär als Hundeklo dienende Rasenflächen-Ödnis umgewandelt. Eine Ödnis, die immer matschiger und feuchter wurde. Was aber eigentlich nur zu erwarten war, lief doch dort sehr viel früher mal einer der Gräben der hiesigen Wasserburg entlang – es fehlte einfach an dem Bewuchs, der zuvor die Feuchtigkeit des Bodens reguliert hatte. Die familiären und Vereins-Festivitäten von früher gab’s auf dem aufgeweichten Boden nicht mehr. Ein paar mehr oder weniger lieblos dazwischen verteilte Sitzgelegenheiten und Trimmgeräte sollten die Ödnis aufwerten. Nur: Wer spielt schon gerne in einer Mischung aus Matsch und Hundekot? Und die reichhaltige Vogelwelt aus früheren Zeiten verschwand …
Machen wir jetzt mal einen Zeitsprung, und zwar von 2012 nach 2019. Im Ortskern von Lauenau soll der EDEKA-Markt einem großen E-Center weichen. Das ist begrüßenswert. So ein E-Center braucht aber Platz. Auf dem Platz, an dem das E-Center entstehen soll, hat der Boule Club Lauenau „BCL“ seine Anlage. Er kann das Bürgerhaus, welches aufgrund des EDEKA-Neubaus auch abgerissen werden soll, mitbenutzen. Der BCL wurde im Oktober 2006 gegründet – auf eine Idee des bereits o. e., ehemaligen Samtgemeindebürgermeisters und heutigen Ratsherren hin – der auch umgehend zum ersten Vorsitzenden gewählt wurde (nachzulesen im Pressearchiv auf der BCL-Seite). Heute, Ende 2019, benötigt der BCL somit neue Flächen und – da er das Bürgerhaus auch nicht mehr nutzen kann – auch ein neues Gerätehaus. Da bot sich die vom früheren ersten Vorsitzenden selbstgeschaffene Rasenödnis im Volkspark doch geradezu an! In der Position als Ratsherr und mit den besten Beziehungen zur sonstigen Kommunalpolitik (die u. a. auch im BCL vertreten ist) sollte sich das doch verwirklichen lassen …
Verwirklicht werden sollte, so wie ich das sehe, eine „naturnahe Umgestaltung des Volksparks nach dem Vorbild einer algerischen Steinwüste“ – nämlich 500m² Bouleanlage (sprich Schotterfläche) zzg. eines Gerätehauses (oder wie auch immer man so ein verkapptes Vereinsheim bezeichnen will). Dagegen regte sich Widerstand. Widerstand, der in der Gründung einer Bürgerinitiative mündete. Die sammelte Unterschriften – pro Volkspark und contra Bouleanlage. Die Kommunalpolitik reagierte umgehend: Kein Gerätehaus mehr und das geplante Gebäude wurde in „öffentliche Toilette“ umbenannt. Ähem…??? Was hätte diese Umbenennung geändert? Es blieb den Lauenauer Bürgern nichts anderes übrig, als nach §33 NKomVG (Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz) die Möglichkeit eines Bürgerentscheids zu erwirken. Dazu mussten im Rahmen eines Bügerbegehrens mindestens 10% der Wähler ihre Zustimmung geben, also im vorliegenden Fall 344 Einwohner. Es stimmten 476 Menschen zu. Bei der anschließend binnen eines Vierteljahres durchzuführenden Wahl können Entscheidungen des Rates oder der Verwaltung mit einfacher Mehrheit im Sinne der Bürger aufgehoben werden und das Ergebnis ist bindend.
Der „alte“ Volkspark im Jahr 2008: Heute umgibt ein Zaun den verbliebenen Baumbestand, der mangels Bepflanzung Wind und Wetter ungeschützt ausgesetzt ist.
Tja … – so ein Bürgerentscheid verlangt einiges an Verwaltungsarbeit. Die kostet Geld. Möglicherweise hätte das sogar mehr Geld als die geplante „Umgestaltungsmaßnahme“ gekostet. Deswegen nahm der Rat im Zuge einer öffentlichen Sitzung am 09.12.2019 auch Abstand von den Bau- bzw. Umgestaltungsmaßnahmen hinsichtlich einer Boule-Arena und damit einer verdammt großen Schotterfläche – zumal zuvor von der Kommunalpolitik mit Fake News pro Boule-Anlage (nachzulesen auf der Seite der Bürgerinitiative) argumentiert worden war. Ausgesprochen bemerkenswert dabei ist es allerdings auch, wenn das demokratische, gesetzlich verbriefte Recht der Bürger auf ein Bürgerbegehren als „Spaltpilz in der Bevölkerung“ und als „Populismus“ denunziert wird. Das lässt m. E. durchaus gewisse Rückschlüsse auf das tatsächliche Demokratieverständnis gewisser Ratsmitglieder zu.
OK, jetzt ist die „naturnahe Umgestaltung des Volksparks nach dem Vorbild einer algerischen Steinwüste“ also erst einmal vom Tisch. Aber ist sie das wirklich endgültig? Die Boule-Arena soll an anderer Stelle errichtet werden und hinsichtlich der dafür benötigten Flächen existieren mehrere Alternativen. Solange aber der Volkspark als Rasenflächen-Hundeklo-Ödnis bestehen bleibt, besteht (gerade auch angesichts des Verhaltens der Kommunalpolitik in der Vergangenheit) m. M. nach durchaus die Möglichkeit, dass man erst einmal Gras über die Sache wachsen lassen will, um später einen neuen Anlauf zu starten: Genau das befürchte ich nämlich! Dem entgegen wirken könnte man eigentlich nur, wenn man jetzt möglichst schnell eine wirklich naturnahe Umgestaltung des Volksparks vornimmt. Mindestens ein Entwurf dafür existiert bereits. Aber wie macht man das Kommunalpolitikern schmackhaft, die gerade eine Niederlage haben einstecken müssen? Egal, was zukünftig in dieser Richtung noch kommen wird – denkt immer daran: Wer sich nicht wehrt der lebt verkehrt!
Der „alte“ Volkspark im Jahr 2008: Wo früher noch der Hof von Reinecke stand ist heute ein Parkplatz und an die Stelle des Insekten anlockenden Schneeglöckchen- und Märzenbecher-Naturrasens ist eintönige, grüne Ödnis getreten.
der politfilz bei euch ist wirklich berichtenswert.
ich erinnere gut daran was du mir beim letzten besuch mit rundgang erzählt hast.
dieses boulespiel ist mir bekannt von einer meiner letzten arbeitsplätze im ÖD.
an einem betriebsausflug wurde vom hauptamt zum boule eingeladen mit anschließendem essen.
nach jeder noch so kurzen boule strecke wurde ein kurzer gekippt. wer nicht aufpasste war schon vor dem mittagessen volltrunken.
in so fern weiß ich wie man boule spielen kann.
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was mir sofort aufgefallen ist,lauenau ist überall.
solche und andere sachen gibt es auch bei uns.
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Dann beachte mal den Beitrag vom 16.12.2019 und zähle 1+1 zusammen …
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