Es war einmal, vor langer, langer Zeit: Da gab es weder CDs, Handys noch Internet und kommerzielle Musiksender schon gar nicht. Die Technik war durchweg analog. Über allem wachte ausgesprochen streng nämlich eine der Tradition verhaftete und neuer Technik äußerst misstrauisch sowie ablehnend gegenüber stehende Institution namens „Deutsche Bundespost“, im Volksmund hinter vorgehaltener Hand auch einfach nur „Der Gilb“ genannt. Die machten mit Funkmesswagen Jagd auf so genannte „Funkpiraten“, also auf (i. d. R. junge) Leute, die sich einen Scheiß um Vorschriften aus der Frühzeit des Kaiserreiches scherten. Wer erwischt wurde, erhielt eine „QSL-Karte aus Darmstadt“ nebst Anzeige. Wir – denn es handelte sich um die Zeit meiner Jugend und um eine Clique von Leuten mit „nicht ganz postalischen Funken“ – setzten selbstverständlich alles daran, uns nicht erwischen zu lassen, was anhand eines recht ausgeklügelten Systems auch bestens funktioniert hat. Wie? Ganz einfach: Indem man die Verfolger verfolgte …

Vor diesem Hintergrund entstanden die allseits beliebten und von außerhalb der Drei-Meilen-Zone sendenden Piratensender in der Nordsee, denn dort lief gänzlich andere Musik als „Ernst Mosch & die Oberkrainer“ oder die zum Tiefschlaf führende, seichte Tanzmusik des NDR zu fortgeschrittener Stunde. Es gab zu der Zeit – Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre – eigentlich nur eine einzige Sendung der legalen ÖR-Sender, die den Piraten das Wasser reichen konnte, nämlich den „Brummerfunk“ von SR1. Vor diesem kulturell und historisch bedeutendem und den Zeitgeist perfekt repräsentierendem Hintergrund drehte Regisseur Wigbert Wicker im Jahr 1984 – dem Jahr der Markteinführung von CDs – einst eine Miniserie, die heute absolut Kult ist, nämlich „POGO 1104„.

Herrlich anarchistische und aus dem prallen Leben gegriffene Typen, Vorschriftenverweigerer wie es sich gehört, beständig pleite wie es normal ist, nach dem Leitspruch „legal-illegal-scheißegal“ agierende Jugendliche und dennoch mit Zielen … – eigentlich schade, dass die schöne Zeit vorbei ist. Mit „POGO 1104“ kann man sich aber herrlich daran zurück erinnern. Die etwas schrägen Typen finden eher zufällig zusammen und auch eher zufällig entsteht die Idee, einen eigenen Piratensender aufzubauen. Der Gilb achtete mit Argusaugen darauf, dass nichts und niemand eine „ungenehmigte Sendeanlage“ in Betrieb nahm. Natürlich geschah das allenthalben doch – und zwar illegal. Wer innerhalb der Drei-Meilen-Zone erwischt wurde, dem winkte Knast. Und nicht zu knapp. Auf „Funkpiraterie“ standen fünf Jahre.

Der WDR machte seinerzeit eine Miniserie und später zwei Anderthalbstunden-Fernsehfilme daraus. Fernsehen in einer Qualität, die es heute nicht mehr gibt. POGO 1104 – so der Name des Piratensenders – war ein Karrieresprungbrett für damals unbekannte Künstler. Für Namen, die man heute kennt: Siegfried Kernen, Richy Müller, Gerd Ekken-Gerdes, Eva-Maria Bauer, Erich Bar, Anja Schüte, Ralf Richter u. v. a. m. Aber POGO 1104 war noch mehr. Es war auch ein Musikfilm mit verdammt geiler Mucke. Und dann geschah etwas, was heute niemals passieren würde: Trotz des immensen Erfolges ist nie ein offizieller Soundtrack erschienen! Die POGO-Verrückten und Fans – zu denen ich mich auch zähle – haben dann später die Songs zusammengetragen, die in der Serie vorkommen. Einiges davon findet sich im Web und wer mag, kann sich so ja seinen eigenen, inoffiziellen Soundtrack zusammenbasteln. Obwohl – so wirklich legal ist das natürlich auch nicht … 😉 Hier sind mal die Songs:

– Intro: Flug über die Werft und Hamburg.
Rod Stewart: Blondes Have More Fun

– Piratensender Radio Störtebeckers erste Fahrt durch Hamburg – noch arbeitet Edgar solo.
Billy Idol: Blue Highway

– Rick bemüht sich mit lockerer Moderation um einen Job als DJ bei Piratensender Radio Josephine.
Hirsch/Schramm: TNT (Unauffindbar, da möglicherweise speziell nur für den Film komponiert – vermutlich unveröffentlicht.)

– Radio Störtebeckers zweite Fahrt – Edgar wird bald erwischt werden und sucht Schutz bei Ludwig, trifft dabei auf Rick.
Stray Cats: How Long You Wanna Live Anyway

– Zwischendurch.
Ramsey Lewis: Don’t It Feel Good

– Zwischendurch.
Ray Price: I’ll Be There

– Rick und Ludwig packen Edgars Sendeanlage und Technik durch einen Geheimgang in Ludwigs alten Transporter.
Rolf Schmidt (Komp.): Krimi Instrumental (Unauffindbar, da möglicherweise speziell nur für den Film komponiert – wahrscheinlich unveröffentlicht.)

– Fahrt von Rick und Ludwig zurück zu Ludwigs illegaler Werkstatt nach dem Ausräumen von Edgars Bastelkeller, damit die Polizei keine Beweise für Funkpiraterie hat.
Otis Blackwell: Breathless

– Rick und Ludwig betrinken sich und hören Edgars Cassette an, während Edgar – da erwischt worden – in U-Haft sitzt.
Bronski Beat: (Tell Me) Why

– Rick und Tina in der Cafeteria der Titania-Versicherung, die ihr OK für die POGO geben muss.
Ramsey Lewis: Sun Goddess

– Rick und Ludwig holen Edgar aus der U-Haft ab.
Rick James: Mr. Policeman

– Ludwig im Nachtklub, macht mit Hajo die Finanzierung der POGO klar: Wettgewinn für Hajo durch falschen K.O. für Ludwig.
Montana Sextett: Heavy Vibes

– Abspannmusik Teil 1.
Bob Seger: Katmandu

– Intro: Edgar und Tina fahren zu Ludwigs Boxkampf; zuvor schon mal zu hören, als Rick den Versicherungsboss abholt.
Mother’s Finest: Dis Go Dis Way, Dis Go Dat Way

– Die POGO schippert auf der Elbe in Richtung Nordsee.
J. J. Cale: Call Me The Breeze

– Nach dem Auflaufen der POGO sitzt der Kahn auf Schiet; Tina geht wütend zu Fuß durch’s Watt nach Friedrichsdeich.
J. Geils Band: Take It Back

– Rick hört Musik während Edgar die POGO belädt und Ludwig im Maschinenraum rumschraubt und anschließend den Strom abstellt.
Bob Seger: Old Time Rock And Roll

– POGO in Friedrichsdeich, Demoband Rick.
Fleetwood Mac: Don’t Stop (1977)

– POGO in Friedrichsdeich, Demoband Edgar.
Lee Ritenour: Matchmakers

– POGO in Friedrichsdeich, Edgar testet den neuen Sender nach der Prügelei mit den Amis, die ihn mit dem Ding über’s Ohr hauen wollten.
Bette Midler: Beast Of Burden

– Intro: POGO läuft von Friedrichsdeich aus nach Helgoland, um vom Felsen einen Generator zu besorgen: Ohne regulären Kapitän, was zum Aufbringen durch die Wasserschutzpolizei führt.
Stevie Ray Vaughn: Couldn’t Stand The Weather

– Edgar testet den Sender, nachdem die Crew die zuvor aufgebrachte POGO bei Nacht und Nebel aus Polizeigewahrsam entführt hat.
Bruce Springsteen: No Surrender

– POGO in internationalen Gewässern sendet seit 2 Stunden.
Adam Ant: Goody Two Shoes

– POGO im Sendebetrieb und ein Typ mit einer hahnebüchenen geheimen Studie taucht auf.
Joe Cocker: A Girl Like You

– POGO im Sendebetrieb; Hajo und seine Nachtclubber bringen den alten Kapitän mit und damit ist der Wasserschutz rechtlich betrachtet machtlos.
The Go-Go’s: Turn To You

– POGO im regulären Sendebetrieb als Piratensender „POGO 1104“.
Van Halen: Jump

– Abspannmusik Teil 2.
X: Hot House

Die Musik ist meines Wissens „aus dem Bauch raus“ vom Regisseur selbst ausgesucht worden – vielleicht resultiert von der Seite her auch die Vielfalt und vielleicht ist es gerade diese Vielfalt (auch der verschiedenen Label), die einem offiziellen POGO-1104-Soundtrack im Wege steht. Leider ist es mir nicht gelungen, alle Titel ausfindig zu machen. Aber das, was da ist, kann man sich ja (mal wieder?) anhören!