Heute habe ich mal wieder einen brandheißen Lesetipp und das Buch gefällt mir ausnehmend gut! Es ist eine bemerkenswerte SF-Story namens „Pyramidenspiel – Ein Roman über die gechippte Gesellschaft“, geschrieben von Juan Arte. Lt. Klappentext handelt es sich bei dem Autoren um einen österreichischen Beamten und „Pyramidenspiel“ ist sein Debüt-Roman. Das Buch umfasst 44 Kapitel und 280 Seiten, mithin also vergleichsweise kurze 6-Seiten-Kapitel – und das ist auch gut so! Warum? Weil man jedes Kapitel im Grunde genommen doppelt liest – einmal als Verlauf der Story und einmal zwischen den Zeilen. Denn zwischen den Zeilen wird nicht an System- und Gesellschaftskritik gespart! Wie das gemeint ist, zeigen einige Zitate aus dem Werk, die ich hier einfach mal mit einstreue.
„Der wichtigste Faktor zur Erlangung und Aufrechterhaltng von Macht ist Angst. Jeder, der über eine Gemeinschaft herrschen will, muss die Ängste der Menschen für seine Zwecke kanalisieren.“
Also, worum geht’s? Um eine gesamteuropäische Gesellschaft des Jahres 2084. Smartphones, Smartwatches, Fitness-Armbänder, Kreditkarten usw. gibt es nicht mehr. Alle damit verbundenen Funktionen, Datenerfassungen und Transaktionen übernimmt ein Chip, den jeder Bürger im Alter von vier Jahren in den Unterarm implantiert bekommt. Die Daten werden zeitgleich an Zentralrechner übermittelt. Mit dem Erreichen der Volljährigkeit im Alter von 18 Jahren wird jeder Chip mit fünfzig Sozialpunkten aufgeladen. Wer sich engagiert erhält zusätzliche Sozialpunkte und kann damit theoretisch in der Gesellschaft aufsteigen. Wer falsch parkt oder Fake News in Umlauf bringt – damit allerdings sind auch kritische Meinungsäußerungen sowie das Hinterfragen des Chipsystems gemeint – verliert Sozialpunkte. Zwischen dem Gewinn und dem Verlust von Sozialpunkten besteht übrigens per EU-Verordnung eine beabsichtigte Diskrepanz: Man kann sie wesentlich schneller verlieren als hinzu gewinnen. Das schürt die Angst vor dem sozialen Abstieg. BTW: H4 lässt grüßen!
„Wer oder was zur Hölle ist ein AKS?“ „Ein Arbeits- und Konsumsklave.“
Nur wer über hinreichend viele Sozialpunkte verfügt kann Karriere machen. Nur wer Karriere macht verdient genug Geld um sich all die schönen Annehmlichkeiten der modernen Gesellschaft leisten zu können und damit seinen Nachbarn auszustechen. Das macht die Menschen zu fleißigen und folgsamen Arbeitsbienen. Die jeweils gewählte Regierung stellt nur die Marionetten für die übermächtigen Konzerne, welche im Hintergrund an den Fäden ziehen. BTW: Sieht es heute denn soviel anders aus?!?
„Sie stehen frühmorgens auf, um pünktlich zur Arbeit zu fahren. Verbringen dort den Großteil ihrer Tage mit mehr oder weniger stupiden Tätigkeiten und nutzen ihre spärliche Freizeit dazu, ihr bescheidenes Gehalt den Konzernen in Form von Konsum zurückzugeben.“
Polizei und Sicherheitsorgane existieren zwar noch, doch die Kriminalität wie wir sie heute kennen ist praktisch verschwunden. Warum? Weil per Chip alles registriert wird und jede Bestrafung in Form von Sozialpunkteabzug praktisch zeitgleich erfolgt. Auch das regelt eine EU-Verordnung: Soundsoviel Punkteabzug für dieses Vergehen, soundsoviel für jenes usw. Eine Ausnahme bildet Mord. Bei Mord verhält sich der Punkteabzug porportional zum Punktestand des Opfers: Verfügte es über viele Punkte, dann ist der Abzug auch groß. Verfügte es über gar keine Punkte mehr, dann entfällt der Abzug, weil soundsoviel Prozent von Null eben auch Null sind.
„Das gesamte Leben unserer Untertanen ist ein ewiger Kreislauf aus Arbeiten und Konsumieren. Sie arbeiten, um zu konsumieren, und sie konsumieren, um die Arbeit ertragen zu können. Sie dienen den Konzernen damit doppelt und merken es nicht einmal.“
Demjenigen, dessen Sozialpunktestand auf Null gefallen ist, wird der Chip operativ entfernt. Er gilt fortan als Ausgestoßener und ist nicht mehr Mitglied der Gesellschaft. Er muss sehen wie er außerhalb der Gesellschaft über die Runden kommt. Wird er dabei ermordet, dann führt das, da er null Punkte hat, zu keinem Punkteabzug. Die Chiplosen sind somit de facto vogelfrei und jeder Bürger ist aufgerufen, Chiplose zu meiden. Sie sind mittellos, gelten als das Böse schlechthin, als Terroristen und sind bewusst zum Feindbild aufgebaut worden: Zu denen will keiner gehören! BTW: Schon mal was von ungebildeten und arbeitsunwilligen Sozialschmarotzern gehört?!?
„Das Geld als Tauschmittel lebt immer schon davon, dass die Menschen daran glauben, dass es etwas wert sei.“
Jetzt zur Story selbst: Hector Garcia Lopez verfügt zwar über eine Ausbildung als Historiker, hat es im Chipsystem aber nicht weiter als bis zum Bibliothekar gebracht – vielleicht weil er zum falschen Zeitpunkt die falschen Fragen stellte. Er lebt sein einfaches Leben so gut es eben geht – bis er zum Opfer eines Überfalls wird. Man schneidet ihm brutal den Chip aus dem Arm. Als Chiploser steht er außerhalb der Gesellschaft. Keine Krankenversorgung, kein Geld und sein Smart Home erkennt ihn nicht mehr als Bewohner an. Der öffentliche Nahverkehr steht ihm nicht mehr zur Verfügung. Sein Hunger treibt ihn in eine Community der so genannten Terroristen, der Chiplosen und er erkennt: Die leben zwar einfacher, aber in Freiheit. Außerdem sind die alles andere als Terroristen. Sie sind Widerstands- und Freiheitskämpfer!
„Die Reichen schützen sich selbstvertändlich durch die Investition in Sachwerte vor der Inflation.“
Ohne zu ahnen, dass er selbst, beginnend mit dem beauftragten Chipraub, nur eine Figur im Schachspiel der wirklich Mächtigen in den Konzernzentralen ist, schließt er sich dem Widerstand an. Ihr Ziel ist es, basierend auf einer Urban Legend, alle Chips durch eine angebliche Backdoor im Code abzuschalten. Hector wagt den betreffenden Versuch und scheitert, weil es sich bei der Urban Legend tatsächlich nur um eine Art von Legende handelt. Immerhin aber ist sein Scheitern auf höchster Ebene – nämlich nach eigentlich erfolgreicher Eingabe des vermeintlichen Abschaltcodes – seine Eintrittskarte in die allerhöchste Ebene der gesellschaftlichen Pyramide. Er nimmt die Einladung zwar an, aber … Der Schluss soll hier nicht verraten werden!
„Im Gegensatz zu totalitären System bestimmen wir nicht mit brutaler Gewalt, was sie zu tun und zu denken haben, sondern lenken sie mit subtileren Mitteln in die richtige Richtung. Wir lassen die Menschen aus mehreren von uns vorgefilterten Meinungen wählen und kreieren damit die Illusion der Entscheidungsgfreiheit.“
Das Buch ist flüssig geschrieben und lässt sich sehr gut lesen. So richtige Spannung will indes zwar nicht aufkommen, doch das wird durch die angestoßenen Denkprozesse mehr als nur ausgeglichen. Oberflächlich betrachtet handelt es sich um einen SF-Roman. Zwischen den Zeilen gelesen wird einem die durchaus berechtigte Gesellschafts- und Systemkritik gnadenlos links und rechts um die Ohren gehauen, so dass man unweigerlich zu dem Schluss gelangen muss: Das Handlungsjahr 2084 ist gar nicht so weit entfernt. Irgendwie ist es sogar schon heute! In einem gewissen Sinne ist „Pyramidenspiel“ so gesehen geradezu ein Lehrbuch in Sachen Politik und Postdemokratie. Lediglich der Schluss der Story wirkte auf mich doch arg konstruiert, gerade so, als hätte den Autoren die Lust am Schreiben verlassen. Dennoch: Unbedingt lesen! Es muss wirklich nicht immer die Spiegel-Top-Ten-Bestseller-Liste sein …
als taschenbuch 11.99 euronen bei amazon,hat viele
positive bewertungen erhalten.
stammt vom kindle-verlag.
steht schon auf meiner liste….
danke für diesen buchtip,hab grad überlegt
wer wird heut noch bücher lesen.
die angeblich- letzte generation-wahrscheinlich nicht.
die brauchen ja ihre kohle schon für sekundenkleber….
sorry, ironie on/off.
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