„Kauf dir ’ne vernünftige Kamera und dann brauchst du auch kein Bild nachzubearbeiten!“ Oder: „Wer sein Bild nachbearbeitet der kann nicht fotografieren!“ Das sind so „Weisheiten“, über die man manchmal stolpert und die zumeist von gewissen „Experten“ ausgesprochen werden. Ich sehe das gänzlich anders! Kommen wir zunächst zur Abgrenzung: Was ist Bild(nach)bearbeitung und was ist Bildkomposition bzw. Retusche oder Bildmanipulation? Bei der Bildbearbeitung – genauer der Bildnachbearbeitung – arbeite ich mit den Informationen, die in einem Bild drin sind. Ich nehme keine Information weg und ich füge auch keine hinzu. Ich werte sie nur anders als die Kamera sie mir liefert. Bei der Bildkomposition, der Retusche und der Bildmanipulation verhält sich das anders: Hier verändere ich die Menge an zugrunde gelegter Information durch Wegnehmen oder Hinzufügen, indem ich etwas ausradiere, wegstempele oder bspw. einen Himmel austausche, um dem Foto einen gänzlich anderen Ausdruck zu verleihen.

Beispiele für Bildmanipulation bzw. -komposition: Graf Dracula, Chewbacca, „der Mann in den Bergen“ Grizzly Adams und der „harte Brocken“ Frank Koops sind komponierte Bilder aus Filmfotos und einem meiner Selbstportaits. Solche zusammengesetzten Deep-Fake-Bilder haben mit der Realität rein gar nichts zu tun!
Halten wir also als Faustregel fest: Bildbearbeitung begnügt sich mit den in einem Bild von vornherein vorliegenden Informationen und wertet die nur anders als es die Automatik der Kamera tut. Bildmanipulation verändert den Informationsumfang. Diese Grenzen sind allerdings fließend, denn es gibt dazwischen noch eine Grauzone. Wenn ich bspw. einem Bild eine ganz bestimmte Stimmung verleihen will und deswegen Presets bzw. LUTs einsetze, dann ist das zunächst auch erst einmal eine Bildmanipulation – außer wenn ich einzig auf diese Weise den originalen, natürlichen Look erzeugen kann, den auch mein Auge mir liefert. Wenn ich ein Stacking, bspw. im Makrobereich, bei einem Sternenhimmel oder bei einem Mondbild durchführe, dann vergrößere ich den Informationsumfang einer Aufnahme. Ich füge allerdings nur etwas hinzu, was ohnehin schon real vorhanden ist und was mit größerem technischen Aufwand auch in natura fotografierbar gewesen wäre. Das sehe ich nicht als Bildmanipulation an. Wenn ich aber die Wolken in einem Himmelsbild so verdrehe und verzerre, dass da hinterher ein fliegendes Monster drauf zu sehen ist, dann verfälsche ich die vorliegende Information ganz bewusst und das ist dann eine Bildmanipulation ohne Veränderung des Informationsumfangs.
Soviel zu meiner ganz persönlichen Abgrenzung zwischen Bildbearbeitung im Sinne von Bildnachbearbeitung einerseits und Bildmanipulation bzw. Bildkomposition andererseits. Bleiben wir nachfolgend bei der Bildbearbeitung, die immer zum Ziel haben sollte, eine Aufnahme so dicht an die Wirklichkeit zu bringen wie nur möglich. Betrachten wir dazu erst einmal eine andere Frage: Was kann das menschliche Auge und was liefert die Technik? In beiden Fällen haben wir Information in Form von Licht verschiedener Wellenlängen, das auf einen Sensor (Netzhaut oder Kamerasensor) trifft. In beiden Fällen haben wir eine nachgeschaltete Auswertungseinheit (Gehirn oder Kameraelektronik mit Soft- bzw. Firmware). Die Kombination aus Netzhaut und Gehirn ist jeder Kamera zweifellos haushoch überlegen. Logische Schlussfolgerung: Keine Kamera liefert ein Bild so, wie der Fotograf selbst es gesehen hat. Das, was die Kamera liefert, ist bestenfalls eine Annäherung daran, eine Art von Mittelwert – ganz gleich, ob es sich nun um das (weitaus mehr Korrekturmöglichkeiten bietende) RAW-Format oder um das allseits übliche JPG-Format (bei dem bereits Originalinformationen durch die Kamera rausgefiltert worden sind) handelt. Das bedeutet aber auch, dass zwischen dem, was die Kamera – egal welche – abliefert und dem originalen Aussehen des Motivs Unterschiede bestehen. Will man diese Unterschiede minimieren (und auch das gehört zur Fotografie dazu), dann bedingt das automatisch die Bildnachbearbeitung.

Ein von der Kamera (Sony a6000) geliefertes Originalbild: Da die Helligkeit den Sensor platt gemacht hat ist der Schnee nicht weiß sondern blaugrau und das ganze Bild wirkt flau sowie kontrastarm.

Bildbearbeitung, Schritt 1: Weißabgleichskorrektur, damit der weiße Schnee auch wirklich weiß und nicht blaugrau ist.

Bildbearbeitung, Schritt 2: Korrektur von Sättigung, Farben, Kontrast und Helligkeit damit das Bild nicht mehr flau ist sondern stattdessen dem natürlichen Anblick ähnlicher wird.

Bildbearbeitung, Schritt 3: Korrektur des Histogramms und so in etwa hat es in natura auch ausgesehen.
Die Bildbearbeitung dient also quasi dem Rauskitzeln der letzten Details. Nun ist Unterbelichtung zwar durch selektives Aufhellen korrigierbar, bei Überbelichtung hingegen wird’s hochproblematisch – ausgefressene Breiche sind ohnehin verloren. Daraus folgt, dass man die Aufnahme von vornherein so macht, dass eine Nachbearbeitung grundsätzlich möglich ist um das Beste heraus zu holen. So gesehen entspricht die Bildbearbeitung der früheren Bildentwicklung im Analogbereich, nur eben mit anderer, heutiger Technik – und früher hätte auch niemand nach der Belichtung behauptet, dass eine Entwicklung nicht erforderlich wäre. Um das Beste aus einem Bild herausholen zu können fließen Vobereitung, Location, Aufnahmezeit, Wetterbedingungen, Bildaufbau usw. in eine Aufnahme mit ein.
Zusätzlich setzt das auch eine (häufige) Abkehr von der Vollautomatik und u. U. den Filtereinsatz voraus, denn Filter (z. B. ND-Verlaufsfilter) und (teil)manuelle Einstellungen helfen unzulänglicher Kameratechnik auf die Sprünge. Das nun aber bedeutet, dass man sich zwangsläufig mehr mit seiner Kameratechnik beschäftigt als nur stumpf den Auslöser durchzudrücken: Fotografie ist eben mehr als Knipsen! Kommt noch erschwerend hinzu, dass einerseits jede Kamera und andererseits jedes Objektiv anders ist: Je nach Vergütung und Firmware gibt’s diese oder jene Schwachstelle, die wirklich erst im Zuge der Bildbearbeitung beseitigt werden kann – und die man auf dem mickrigen Kameramonitor völlig übersieht, die aber am großen Bildschirm sofort geradezu ins Auge springt.

Der unmittelbare Vergleich zwischen unbearbeitetem und bearbeitetem Bild.
Die Frage „Bildbearbeitung – ja oder nein?“ lässt sich daher mit einem ganz deutlichen „JA!!!!“ beantworten. Der „Experte“, der die Bildbearbeitung pauschal verdammt, setzt nicht selten die Messlatte für ein Foto irgendwo auf Kanalisationsniveau an. Möglicherweise ist er ja derjenige, der gar nicht fotografieren kann und will durch seine Meinung bessere Bilder bei anderen vermeiden, um selbst glänzen zu können. Eine solche Person kauft sich auch eine teurere Kamera nach der anderen ohne dass die Bilder wirklich besser werden. Sinnvoller ist es daher, eine vorhandene Kamera auszureizen, die Bilder zu bearbeiten und erst dann, wenn einem selbst das nicht mehr ausreicht, nach neuem Equipment Ausschau zu halten. Diese Vorgehensweise spart übrigens auch sehr viel Geld …
Man hat ja früher beim Entwickeln der Filme schon “bearbeitet” – glauben wir wirklich, all unsere Urlaubsfotos waren damals richtig belichtet, farblich richtig abgestimmt??? Alles in einer guten Dosis und nicht übertrieben
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