Vorab: Ich habe kein Problem mit Autoritäten. Ich habe allerdings ein großes Problem mit Inkompetenz auf gehobener Ebene. Heute sage ich mir dann nur noch „Leckt mich doch …“ und lasse solche Menschen – weil sie es ja partout darauf anlegen – ins offene Messer rennen: Nicht mein Problem! Früher war das anders. Da versuchte ich zu retten was zu retten ist. Das hat mich in der Vergangenheit mehrmals zum Mobbing-Opfer gemacht. Diese Erinnerungen kochten wieder hoch als ich kürzlich bei Facebook einen Beitrag zum Thema Mobbing las. Alles, was nun folgt, sind sehr reale Erfahrungen. Die allerdings liegen bereits Jahrzehnte zurück. Ich glaube aber nicht, dass sich hinsichtlich des Mobbings etwas grundlegend verändert hat. Deswegen auch dieser Bericht: Achtet auf die Anzeichen! Unternehmen, die auf Mobbing basieren, leben nicht lange. Aber sie leben leider immer noch lange genug, um einzelne Menschen fertig zu machen. Mein aus der Erfahrung heraus gegebener Rat: Wenn ihr in einem Mobbing-Unternehmen beschäftigt seid, dann seht zu, dass ihr schnellstmöglich Land gewinnt! So, und nun zum Bericht …

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Ihr wart einmal ein Team – ein verdammt gutes Team sogar und maßgeblich daran beteiligt, aus der 50-Leute-No-Name-Bude ein namhaftes 500-Personen-Unternehmen zu machen. Einer konnte sich auf den anderen verlassen. Ob Chef oder Untergebener war scheißegal, denn alle zogen am gleichen Strang. Es gab keine Unterschiede – außer beim Gehalt. Auch dein Boss zog sich, wenn nötig, Blaumann oder weißen Kittel an, benutzte Gummistiefel usw. Ihr hattet zwar offiziell niemals Bereitschaft, wart aber immer da, wenn die Not am Mann das erforderlich machte – Tag und Nacht. Auch an den Wochenenden. Auch wenn 24 Stunden am Stück durchgearbeitet werden musste. Ihr habt eure Freizeit für Weiterbildungen geopfert, dabei auf besagte Freizeit verzichtet – und zwar jahrelang. Keine Atmosphäre war zu vergiftet, kein Schornstein oder Dach zu hoch, kein Schacht zu tief, keine unbekannte Probe zu infektiös, zu giftig oder zu eklig und kein Wetter für Außenarbeiten zu fies. Bei Wind und Wetter mit Messgeräten am Fabrikschornstein hoch hat dich niemals abgeschreckt. Wenn die Reaktion dir um die Ohren hätte fliegen können dann hast du sie – rein auf deine eigenen Berechnungen vertrauend – trotzdem durchgezogen. Ungeachtet des Risikos: Ihr wart einfach aufgrund des persönlichen Engagements erfolgreich! Im Grunde genommen wart ihr saublöd.

Euer Erfolg kam dem Unternehmen zugute. Mit der Firma wuchs auch die Abteilung. Andere Leute wurden eingestellt, allerdings auch von anderer Stelle aus und eben nicht von euch selbst. Mit deren fachlicher Kompetenz war es zumeist nicht sonderlich weit her, aber als sie den Blaumann gegen den weißen Kittel eintauschen konnten, da entwickelten die – von ganz wenigen Ausnahmen mal abgesehen – so eine Art von Standesbewusstsein. Sie alle wiesen nämlich gewisse Gemeinsamkeiten auf. Sie bewegten sich auf der Schleimspur anderer: „Chef, Chef – ich weiß was! Chef, darf ich Ihnen die Tür öffnen?“ Wir vom alten Team mussten mit den Arschkriechern zusammenarbeiten. Ungern. Deswegen zerfiel unser altes Team so nach und in einzelne Zellen, meist aus ein bis drei Personen bestehend, die sich nicht in die Karten gucken ließen. Weil die Schleimer und Kriecher das sofort als Eigenleistung für sich selbst reklamiert hätten. Das war der Anfang vom Ende. So nach und nach verschwanden alle – jedenfalls alle, die das Unternehmen mal groß gemacht hatten. Viele wurde rausgemobbt. Andere erlitten tragische Arbeitsunfälle, mitunter von tödlicher Natur. Ich war einer der Letzten, die dort das Handtuch warfen. Nachdem ich über zehn Jahre lang dort ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit gebuckelt und malocht hatte. Nachdem ich über die Hälfte dieser Zeit als Betriebssanitäter tätig gewesen war und so manchem das Leben gerettet hatte, insbesondere bei Amputationsverletzungen, von Walzen zerquetschten Gliedmaßen usw.

Die letzten beiden Jahre waren am schlimmsten. Der bisherige Chef – derjenige, mit dem all die Jahre über eine hervorragende Zusammenarbeit stattfand – hatte rechtzeitig das Weite gesucht. Gekommen war ein neuer Boss, einer, der fachlich zwar absolut unbeleckt war, aber zur Kategorie von „Früa wusde ich nich wi mann Inscheniöa schreipt un heutä binnich einen“ zählte: Ein gefundenes Fressen für die Schleimer! Einer, den ein renommiertes Unternehmen wegen Unfähigkeit hatte loswerden wollen. Der bildete zusammen mit den Schleimern und Arschkriechern eine eigene, widerwärtige Clique. Mangels Kompetenz stellte er unmöglich zu erfüllende Forderungen, dabei immer seine höhere Position – also den Boss – herauskehrend. Bis ich ihn einmal mit den Worten „Unbeschriftete Flaschen haben im Labor nichts zu suchen – also raus!“ rauswarf. Das hatte natürlich Folgen – für mich, wie könnte es auch anders sein? Es lohnt sich vielleicht an dieser Stelle noch zu erwähnen, dass über eine sehr bekannte, mit „M“ beginnende und auf „Y“ endende Unternehmensberatung eine berüchtigte Psychosekte aus den USA ins Unternehmen gebracht worden war. Die infiltrierte von oben her alles. Wer als kritikloser Mitläufer mitspielte stieg auf. Wer nicht mitspielte wurde rausgemobbt oder erlitt einen Arbeitsunfall. Der Betriebsrat konnte nichts machen. Mehr noch: Man munkelte, dass der mit der Geschäftsleitung (also den „Sektologen“) gemeinsame Sache machte.

Ich habe es zähneknirschend ertragen, wenn die Chefinkompetenz mit seinen Schleimern in meiner Gegenwart über mich herzog, als sei ich nicht zugegen. Ich habe manchmal mitgespielt, wenn die Chefinkompetenz mir durch einen ihrer Arschkriecher schwammige, ungenau definierte Aufträge zukommen ließ. Ich habe es gehasst, wenn ich Laborarbeiten durchzuführen hatte und die Chemikalien vertauscht oder verunreinigt worden waren – bspw. Schwefelsäure in der Salzsäureflasche, vertauschte Etiketten, vertauschte Gasanschlüsse u. ä. Ich war unbequem geworden und man konnte mich nicht so ohne Weiteres loswerden – zumal mein unbefristeter Arbeitsvertrag keine Sperrklausel aufwies und ich umgehend zur Konkurrenz hätte gehen können – mit all meinem Know How. Ergo setze man auf das Provozieren eines Arbeitsunfalls. Es ist zwar lange her, aber wir verwalteten unsere Datenbestände bereits damals mit Computern. Meine Datenbestände wurden verändert. Machte nichts, denn ich hatte Datensicherungen. Ich hatte Feierabend und mein Auto war unübersehbar bewusst zugeparkt worden – es kostete mich Stunden, bis ich endlich da weg war.

Beim Einfahren einer neuen Anlage riss eine 7-Atü-Leitung, weil deren Verschraubung nachlässig angebracht worden war – ich stand daneben, sah das Teil sich bewegen und brachte mich mit einem lebensgefährlichen Hechtsprung in Sicherheit. Mit Flockungshilfsmittel war künstliches Glatteis erzeugt worden. Ich erlitt einen bösen Sturzunfall inklusive Verletzung und sah mich hinterher Hohn und Spott ausgesetzt: „Das mit dem aufrechten Gang üben wir bei Gelegenheit aber nochmal, nicht wahr?“ Bei einer Gasmessung, die ich ungeschützt durchzuführen hatte, kam es urplötzlich und angeblich aufgrund eines ominösen „Defektes“ zur massenhaften Freisetzung von Giftgas – ich rannte um mein Leben und wurde hinterher dafür zur Verantwortung gezogen, dass ich „das teure Messgerät nicht gerettet“ hatte. Ich erlitt einen Unfall mit radioaktiver Kontamination und später kam der nahezu unvermeidliche (nichtsdestotrotz aber besiegte) Krebs … Ich infizierte mich versehentlich mit der Legionärskrankheit, als ich Todesfälle durch „abnormale Lungenentzündungen“ im Betrieb untersuchte und ging dabei beinahe drauf. Kurzum: Man tat alles um mich loszuwerden – so oder so.

Ich führte ein Mobbing-Tagebuch und wandte mich an den Betriebsrat. Der winkte nur ab; den interessierte das überhaupt nicht. Ich wurde gerügt, weil die Schleimer und Arschkriecher plötzlich mit Ergebnissen aufwarteten, die ich selbst längst hätte liefern sollen. Eher zufällig bekam ich mit, dass besagte „Kollegen“ die Seiten mit den Daten aus meinem Laborbuch heimlich kopiert hatten und nun meine Arbeiten als die Ihren ausgaben. Ich entwickelte eine Methode zur Abwasserbehandlung und reichte sie betriebsintern zwecks Patentanmeldung ein. Das Verfahren wurde verschleppt. Schließlich wurde die Patentierung abgelehnt – ein anderes Unternehmen im gleichen Ort hatte eben dieses Verfahren während der Verschleppungsperiode zum Patent angemeldet. Reiner Zufall, dass ein guter Bekannter meiner Chefinkompetenz das getan hatte. Auch reiner Zufall, dass sich meine Chefinkompetenz in Folge einen neuen Oberklassewagen leisten konnte – aber das eine muss ja mit dem anderen nicht zwangsläufig etwas zu tun haben, nicht wahr?

Ich hatte das Gefühl, dass während meiner Abwesenheit an meinem Arbeitsplatzrechner rumgefummelt wird – Passwörter zum Einloggen gab’s noch nicht -, programmierte ein Überwachungsprogramm und installierte es. Das zeigte eindeutig, wann was während meiner Abwesenheit geschah – mindestens einmal wöchentlich! Noch dringend zu bearbeitende Proben, deren Probenahme extrem viel Aufwand verlangt hatte, wurden angeblich „versehentlich“ vernichtet – was mich dazu nötigte, die betreffenden Messungen zu wiederholen. Und zwar ungesichert im Winter oben auf einem Fabrikschornstein! Man zwang mich, hochradioaktive Präparate im eigenen PKW und ungekennzeichnet „unter der Hand“ zum Zweigwerk zu transportieren. Als ich in Folge teuer zu entsorgenden Giftmüll auf der Heimfahrt irgendwo im Wald abkippen sollte, da weigerte ich mich und legte auf der schwarzen Liste einen geradezu kometenhaften Aufstieg hin. Den Giftmüll sind die übrigens anderweitig losgeworden: Er diente später bei einem recht merkwürdigen Brand als Löschmittel.

Mal war mein Telefon verschwunden, mal war es abgeschaltet worden. Als ich von einer Beprobung zurück kam, da hatte ich Probleme, das Labor wiederzufinden. Irgendjemand war dort nämlich so schlau gewesen, eine Petrischale mit konzentrierter Ammoniaklösung neben eine Petrischale mit konzentrierter Salzsäure zu stellen und einen eingeschalteten Föhn daneben zu legen. Man versuchte, mir gezielte Falschinformationen zukommen zu lassen und setzte unhaltbare Gerüchte, meine Person betreffend, in die Welt. Wenn das Telefon da war und auch funktionierte, dann bekam ich nur allzu oft völlig sinnlose Anrufe, welche eigentlich einzig dazu dienten, den Arbeitsfluss zu unterbrechen – ich legte in Folge einfach den Hörer daneben. Manche behandelten mich wie Luft, andere steckten mir hinter vorgehaltener Hand, dass es ihnen verboten worden wäre mit mir zu sprechen. Sinnlose Aufgaben – wie das farbliche Sortieren von Altpapier – oder das Ertränken in stupider Routine kamen immer wieder vor. Als ich anlässlich einer dieser Tätigkeiten dazu verdonnert worden war, den Schreibtisch der Chefinkompetenz aufzuräumen – was eigentlich gar nicht zu meinen Aufgaben zählte – da fielen mir seine Seminarunterlagen zum Thema „Kreatives Personalmanagement“ in die Hände: Nichts weiter als ein steuerlich absetzbarer Kurs über’s Mobbing!

Schutzausrüstung wurde verweigert. Man fuhr mir auf dem Firmenparkplatz das Auto kaputt – vom Verursacher keine Spur! Wenn ich eine Aufgabe erledigt und ein Problem gelöst hatte, dann war das aufgrund der vorherigen, äußerst schwammig formulierten Auftragserteilung niemals richtig, so dass ich mir angewöhnte, immer gleich zwei oder drei alternative Problemlösungen zu erarbeiten. Was aber auch wieder nicht richtig war, denn das galt als „Zeitverschwendung“: Wie man’s macht, man macht’s verkehrt! Es blieb aber nicht bei den Anfeindungen auf der Arbeitsstelle. Das Mobbing setzte sich bis in den privaten Bereich hinein fort. So hatte meine damalige Vermieterin einen merkwürdigen Anruf erhalten, in dessen Verlauf man ihr mitteilte, dass ich finanziell am Ende sei: In Folge durfte ich meine Mietzahlungen immer im Voraus entrichten. Man rief Verwandte von mir an und erzählte denen Schauermärchen über mich. Einen schönen Tages gab’s da so einen Anruf und meine Frau ging ran. Das Telefon stand auf Lauthören und ich bekam alles mit – wie man meiner Gattin weißmachen wollte, dass ich fremdginge usw. Ich griff zum Hörer und sagte: „Frau Dr. H… – ich habe Ihre Stimme erkannt. Ich weiß wo Sie wohnen. Soll ich Sie mal besuchen?“ Danach war Ruhe.

Im Verlauf dieser beiden schlimmsten Jahre habe ich mich oft gefragt, wieviel ein Mensch ertragen kann, bevor er daran zerbricht. Im letzten Jahr – ich sah mich inzwischen bereits sehr intensiv nach einer anderen Stelle um – fuhr ich morgens immer nur mit einem einzigen Gedanken im Kopf zur Arbeit: „Welche Schikanen lassen die sich heute wieder einfallen?“ Damals hatte ich – nicht zuletzt weil ich die Wissenschaft der Chemometrik mit aus der Taufe gehoben hatte – noch einen sehr guten Namen in der Fachwelt. Aufgrund dieses guten Namen erhielt ich ein sehr lukratives Angebot von der Konkurrenz. Und war von heute auf morgen aus der Mobbingbude weg. Die Mobbingbude gibt’s heute nicht mehr. Sie hat pleite gemacht, drei Jahre nach meinem Ausscheiden. Ein Betrieb mit einem restlos vergifteten Arbeitsklima ist nicht überlebensfähig – außer wenn er sein Personal in rascher Folge verschleißt. Das gibt ihm ein paar Jahre des Überlebens mehr.

Mobbing ist, wenn der Terror von Kollegenschweinen ausgeht. Bossing ist, wenn Vorgesetzte dabei kräftig mitmischen und Anstifter sind. Bullying ist, wenn der Terror ganz unverblümt darauf abzielt, jemanden gesundheitlich zu schädigen oder ihn um sein Leben zu bringen. Auch das habe ich erlebt, und zwar bei einem Kollegen. Er war mal Alkoholiker gewesen, hatte aber die Kurve gekriegt und galt als „trocken“. Er war kein Mitläufer. Das reichte schon. Kollegenschweine fülten ihn bei einer Betriebsfeier im Auftrag eines bossenden Chefs ab und er war endgültig erledigt. Ein Vorgesetzter, der vor Mobbing, Bossing und Bullying die Augen verschließt zeigt keine Führungsschwäche. Er zeigt nur, dass er als Vorgesetzter absolut inkompetent und indiskutabel ist. Die Fähigkeiten solcher Leute sollte man nicht infrage stellen. Besser noch: Nicht mal zur Diskussion! Und wenn ein Unternehmen solche Leute in gehobene Positionen hievt, dann lässt das schon eindeutige Rückschlüsse über den betreffenden Betrieb zu!

Beim Mobbing wird als erstes Opfer immer derjenige gesucht, der „irgendwie anders“ ist – etwas erfolgreicher, etwas schlauer, etwas beliebter, etwas hässlicher, etwas weniger mitlaufend, etwas mehr hinterfragend … Es ist derjenige, der „etwas anders“ denkt und der dem Unternehmen neue Impulse gibt. Wenn man alle, die „irgendwie anders“ sind, erfolgreich beseitigt hat – wenn also nur noch die Schafherde blökend hinter dem Leithammel her rennt – dann fallen die Mobber zuletzt übereinander her und das große Hauen und Stechen beginnt. Dann heißt es jeder gegen jeden und nichts geht mehr gemeinsam. Dann ist mit der Firma Schluss. Eine Mobbingkultur lässt sich nicht mehr rückgängig machen!

Mobbing ist ein System. Es besteht auf der aktiven Seite aus Tätern, Mitläufern und Zuschauern. Auf der passiven Seite stehen Opfer und Wegschauer. Schaut nicht weg und schaut nicht zu! Prangert die Zustände an! Kämpft dagegen an! Denn wenn das System erst einmal zementiert ist, dann wird nach dem Ausscheiden des einen Opfers das Nächste gesucht. Und danach noch eins und noch eins ad infinitum – bis die Bude den Bach runter geht. Eines dieser Opfer könntest du selbst sein … Und wenn der Laden schließlich den Bach runter geht und du von Arbeitslosigkeit betroffen bist, dann zählst du irgendwo ganz sicher auch zu den Opfern! Daher erfolgt der Kampf gegen Mobbing auch immer im eigenen Interesse: Schonmal darüber nachgedacht?!?